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Johannes Zacharias Aktuarios

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Die handschriftliche Überlieferung des griechischen Textes

Den griechischen Text der Schrift über das Seelenpneuma überliefern ca. 33 Handschriften (grösstenteils Sammelhandschriften, welche zudem diverse weitere medizinische Gebrauchstexte beinhalten), die in 20 verschiedenen Bibliotheken europaweit aufbewahrt werden und überwiegend zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert datieren.

Eine der wesentlichen Zielsetzungen des Editionsprojektes ist die Analyse und editorische Erfassung der einzelnen Redaktionen der handschriftlichen Über­lieferung des Textes in ihrer jeweiligen rezeptionsgeschichtlichen Fokussierung. Dadurch lässt sich die besondere Rolle eines byzantinischen Gebrauchstextes innerhalb der allgemeinen Medizin­geschichte nicht nur kulturhistorisch, sondern auch editionsmethodisch adäquat darstellen.

Editio princeps und lateinische Überlieferung

Die Editio princeps der Schrift über das Seelenpneuma des Aktuarios Johannes Zacharias wurde im 16. Jhd. von Iacobus Goupylus (Jacques Goupyl, 1525–1564) erstellt, wohl auf Basis der Leidener Handschrift VGF 32, und im Jahre 1557 in Paris publiziert. Dieser Erstedition des griechischen Textes ging die in Venedig im Jahre 1547 erschienene lateinische Übersetzung des Textes von Julius Alexandrinus de Neustain (1506–1590) voraus, welche 1567 zusammen mit anderen Werken des Johannes Zacharias Eingang in die Textsammlung von Stephanus fand. Im Jahre 1774 erschien in Leipzig eine Druckedition des griechischen Textes von Johann Friedrich Fischer (1726–1799), wohl auf Grundlage der Münchner Handschrift BSB Cod. gr. 69.

Die von Julius Ludwig Ideler (1809–1842) in seiner Textsammlung "Physici et medici graeci minores", Band I (Berlin 1841) auf den Seiten 312–386 publizierte Version des griechischen Textes bietet zwar eine lesbare Textfassung, erfüllt jedoch nicht die Voraus­setzungen einer kritischen Edition; ihre exakte Handschriftengrundlage (sehr wahrscheinlich die Münchner Handschrift BSB Cod. gr. 69) wird im Verlauf des Editionsprojektes noch zu ermitteln sein. Erstmalig eine ausführliche und textkritisch begründete Kritik an Idelers Editionsweise formulierte unter Hinweis auf zahlreiche missverständliche und fehlerhafte Lesarten der klassische Philologe Winfried Bühler (1993).

Die Edition byzantinischer Gebrauchsliteratur

Das Editionsprojekt leistet einen wesentlichen Beitrag zur Positionierung der bislang nur rudimentär erschlossenen Fachdisziplin der byzantinischen Medizin und ihrer Ver­treter (Fachliteratur, therapeutische Organisation und Arztpersönlichkeiten) vor dem Hinter­grund einer kontinuierlichen Rezeption antiker Heilkunde in Verbindung mit einem christlich geprägten Anthropologieverständnis. Aus der Mentalitäts- und Identitätsfrage der byzantinischen Medizin resultiert die Fragestellung, inwieweit die byzantinische medizinische Gebrauchs­literatur wegweisende Funktion für die Entwicklung medizinischer Denkstrukturen der frühen Neuzeit bis hin zu aktuellen Fragen der gegenwärtigen Medizinethik besitzt. In engem Zusammenhang damit steht die Frage nach adäquaten Analyseparametern zur Veranschaulichung eines solchen Rezeptionsprozesses und seiner transkulturellen Komponente.

Die handschriftliche Überlieferung der byzantinischen medizinischen Gebrauchsliteratur und insbesondere die diversen, gebrauchsorientierten Redak­tionen der medizinischen Gebrauchstexte spielen hierbei eine entscheidende Rolle, weil sie allein verlässliche Aussagen über Position und Einsatzbereich der Texte im Gebrauchskontext erlauben. Die in den Hand­schrif­ten überlieferten Textredaktionen beinhalten praktisch-therapeutische Aktualisierungen der traditionellen Quellenbasis, basierend auf individueller Berufserfahrung und lassen ganz unterschiedliche Schwerpunkte der einzelnen Rezipienten erkennen.

Die Editions- und Handschriften­geschichte der byzan­tini­schen Medizin konstituiert somit zugleich ihre Rezeptionsgeschichte, und darin besteht auch der wesentliche Unterschied zwischen der Kulturgeschichte der antiken und der byzantinischen Medizin. Forschungsfragen zu Mentalität und Identität der byzantini­schen Medizin und ihrer einschlägigen Gebrauchsliteratur müssen demnach stets das Zusam­menspiel beider Komponenten, der editorisch-philologischen und der kulturhistorisch-rezep­tionsge­schicht­lichen, in Betracht ziehen.

Erste kritische Edition des gesamten Textes: Vorgehensweise und Zielsetzung

Unter Berücksichtigung dieser grundlegenden Fragestellungen verfolgt das Editionsprojekt zwei hauptsächliche Ziele, zum einen die philologische und editorische Erschließung des Textes der Schrift über das Seelenpneuma des Aktuarios Johannes Zacharias, zum anderen seine medizinhistorische und rezeptionsgeschichtliche Kontex­tualisierung.

Zunächst wird auf Basis einer sorgfältigen kodikologischen und paläographischen Anlayse sowie der Kollation sämtlicher Hand­schriften und unter Einbe­ziehung der lateinischen Über­setzung des Textes erstmals eine vollständige kritische und damit für die wissen­schaftliche Rezeption verbindliche Edition des Orginaltextes erstellt. Mittels einer medizinhistorisch orientierten Übersetzung des Textes soll dann dieses zentrale Werk nicht nur für ein einschlägiges Fachpublikum, sondern insbesondere in Hinblick auf seine transdiszi­plinäre Rezeption der Forschung erschlossen und zugänglich gemacht werden.

Damit unmittel­bar verbunden ist das zweite Hauptziel des Editionsprojektes, die medizin­historische und rezeptionsgeschichtliche Kontextualisierung der Schrift über das Seelenpneuma. Hierzu wird der Text im Rahmen einer ausführlichen wissenschafts­geschichtlichen Einleitung mit der Biographie des Johannes Zacharias, zeitgenössischer Korrespondenzen und seinem geistesge­schicht­lichen Umfeld sowie den gesellschaftlich-sozialen Strukturen des 14. Jahrhunderts in Korrelation gesetzt. Außerdem wird ein ausführlicher medizinhistorischer, philologischer und quellenkritischer Kommentar die Verortung des Werkes vor dem Hintergrund der theoretisch-medizinphilosophischen Denk­strukturen des byzantinischen Zeitalters, insbesondere seiner konkret therapeutischen Ansätze in Relation mit dem byzantinischen Krankenhauswesen und dessen Entwicklung vorneh­men, sowie einen rezeptionsgeschichtlichen Ausblick auf aktuelle Thera­pie­­konzepte bei depressiven Störungen und "Burnoutsyndrom" eröffnen.

Die Schrift über das Seelenpneuma des Aktuarios Johannes Zacharias erweist die byzantinische Medizin als eine progressive Fach­wissenschaft, die weit über antike heilkundliche Vorstellungen hinaus das medizi­ni­sche Denken und Handeln in ein substanzielles philosophisch-theologisches  System einbin­det und damit Grundlagen auch für die heutige Medizinethik und patientenorientierte Thera­peutik legt.