Der Aktuarios Johannes Zacharias – Arzt und Universalgelehrter in Konstantinopel
Bei Johannes Zacharias (ca. 1275–1328) handelt es sich um eine historische Persönlichkeit, dessen Biographie, beruflicher Werdegang und gesellschaftliche Position sowohl aus seinem überlieferten Schrifttum wie auch aus diversen zeitgenössischen Korrespondenzen erschlossen werden kann. Über die Familie und deren Hintergrund ist kaum etwas bekannt; den Quellen zufolge scheint zumindest seine Mutter und ein Teil der Verwandtschaft in Konstantinopel gelebt zu haben.
Aus dem Brief eines Studienfreundes geht hervor, dass sich Johannes Zacharias im Jahr 1299 in Konstantinopel dem Medizinstudium widmete, das er zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht abgeschlossen hatte. Ein sehr wahrscheinlich noch vor dem Jahr 1307 verfasster Brief bezeichnet ihn allerdings bereits als "vortrefflichen Arzt" (ἰατρὸς ἀγαθός), so dass sein erfolgreicher Studienabschluss zwischen 1299 und 1307 zu vermuten ist.
Johannes gehörte der Elite der konstantinopolitanischen Gesellschaft an, dem Gelehrtenkreis um Kaiser Andronikos II. Palaiologos (1259–1332, reg. 1282–1328). Er war Schüler des bedeutenden Gelehrten Maximos Planudes (1260–1330); sein väterlicher Freund und spiritueller Mentor war der Mönchsphilosoph Joseph Rhakendytes (ca. 1260–1330), der Adressat der Abhandlung über das Seelenpneuma. Innerhalb dieses illustren Gelehrtenkreises war Johannes als "effektiver Arzt und hervorragender Philosoph" (ἰατρός τ᾽ ἀγαθὸς κρατερός τε φιλόσοφος) eine anerkannte Autorität und machte nicht nur beruflich eine glänzende Karriere.
Medizinstudium in Byzanz
Das Bildungsideal nicht nur im byzantinischen Zeitalter, sondern während des gesamten Mittelalters bis in die frühe Neuzeit hinein, war dem Anspruch einer gesamtheitlichen Grundlagenerziehung verpflichtet, die als 'enkyklios paideia' (ἐγκύκλιος παιδεία) bezeichnet wird. Im Rahmen dieser Ausbildung wurden den Schülern Grundkenntnisse in diversen Wissenschaftsbereichen vermittelt, die dann im späteren Studienverlauf vertieft werden konnten.
Im Falle von Johannes Zacharias führte ihn seine Begeisterung speziell für die Naturwissenschaften zum eingehenden Studium der Medizin, und zwar sowohl in ihrem theoretischen Ansatz, als Medizinphilosophie, wie auch als praktischer Heilwissenschaft. Aus seinem überlieferten Schrifttum wird immer wieder deutlich, daß Johannes Zacharias ganz entschieden eine ganzheitliche Medizinauffassung vertrat, worin die Philosophie als unabdingbar zum Erwerb des notwendigen theoretischen Hintergrundwissens, um Wesen und Ursachen sämtlicher Krankheiten ganzheitlich erfassen zu können, bezeichnet wurde: einzig mittels dieser Grundlagen sei eine verantwortungsvolle und patientengerechte Therapie möglich. Praktisches Wissen und Erfahrungswerte, die im täglichen Kontakt mit den Patienten erworben werden konnten, seien, laut Johannes, zwar wichtig, reichten für sich alleine aber keineswegs aus, um den Arztberuf verantwortungsvoll und gewissenhaft ausüben zu können. Diese bereits während seiner Studienzeit gewonnenen Erkenntnisse ziehen sich wie ein roter Faden durch Johannes' gesamtes Werk und finden insbesondere in seiner Schrift über das Seelenpneuma konzentrierten Ausdruck. Johannes' Entscheidung für die Medizin als nutzbringende Aufgabe fällte er demnach ganz bewußt, denn trotz seiner Begeisterung für die Philosophie wollte er niemals ein ‚Elfenbeinturmgelehrter‘ sein, sondern widmete sich konkret therapeutischen Zielen unter Anerkennung rein physikalischer Gesetzmäßigkeiten.
Die Korrespondenz zwischen Johannes und seinen Zeitgenossen enthält ferner einige Aussagen über den Ablauf eines solchen Medizinstudiums in byzantinischer Zeit: die Studenten absolvierten ihre Ausbildung demnach an einem Krankenhaus, wo sie sowohl theoretische wie auch klinische Unterweisung erhielten, auch hatten sie die Gelegenheit, ihre Kenntnisse durch tägliche praktische Übung im Klinikalltag zu festigen und zu vertiefen. Abgeschlossen wurde das Medizinstudium durch eine Art staatlicher Approbation, der eine eingehende Prüfung vor einem Gremium vorausging, wo sowohl theoretisches wie auch praktisches Wissen geprüft wurde.
Karriere in Konstantinopel: approbierter Arzt und Aktuarios
Johannes Zacharias hat das komplexe Medizinstudium den entsprechenden Quellen zufolge wohl vor dem Jahr 1307 abgeschlossen; zwischen 1310 und 1323 bekam er dann den Titel eines Aktuarios verliehen. Dieser Titel weist ihn als hochrangige Arztpersönlichkeit entweder bei Hofe (als kaiserlicher Leibarzt) oder im Kontext einer Krankenhausinstitution (in diesem Umfeld ist der Aktuarios-Titel besonders häufig belegt) aus, sehr wahrscheinlich sogar in beiden Wirkungsfeldern gleichermaßen. Aus seinem medizinischen Schrifttum geht zudem hervor, daß er Hausbesuche machte, Einzelfälle mit Ärztekollegen diskutierte und wohl auch ambulante Behandlungen in einer Art Poliklinik vornahm. Die in seinen Schriften vielerorts ausführlich dargelegten Fallbeispiele und Patientenkonsultationen zeigen, daß Johannes Zacharias stets nicht alleine an der physischen Fragestellung, sondern in hohem Maße auch an der psychischen Verfassung seiner Patienten interessiert war. Die wechselseitige Beziehung zwischen psychischen und physischen Leiden und deren gesamtheitliche Therapie konstituiert demnach auch die zentrale Thematik seiner Schrift über das Seelenpneuma.
Johannes Zacharias war zudem in der Ausbildung des ärztlichen Nachwuchses engagiert; ob er als Aktuarios auch in leitender Position an einem der konstantinopolitanischen Krankenhäuser fest angestellt war, kann erst durch eine eingehende Analyse seines Werkes und insbesondere dessen handschriftlicher Überlieferung geklärt werden.
Das medizinische Schrifttum des Aktuarios Johannes Zacharias
Johannes’ Œuvre umfaßt neben der Abhandlung über das Seelenpneuma weitere bemerkenswerte medizinische Schriften, die allesamt noch nicht nach modernen textkritischen Gesichtspunkten, d.h. basierend auf der Kollation sämtlicher den Text überliefernder Handschriften, ediert sind.
An erster Stelle zu nennen wäre in diesem Zusammenhang eine umfassende Uroskopie (Περὶ οὔρων / De urinis). In dieser verbindet Johannes eine quellenkritische Rezeption einer Vielfalt unterschiedlichster Quellen zur Thematik mit ganz konkret aus seinem eigenen Erfahrungsschatz ausgewählten Fallbeispielen, um eine möglichst umfassende Durchdringung der Thematik zu gewährleisten.
"De methodo medendi" (Ἰατρικὴ σύνοψις oder auch: Θεραπευτικὴ μέθοδος) wiederum ist ein umfassendes medizinisches Handbuch in sechs Büchern, das Johannes für seinen Freund, den hochrangigen Hofbeamten Alexios Apokaukos (†1345), verfasst hat, als dieser eine Gesandtschaftsreise ins Ausland unternahm. Dieses Handbuch umfasst die Bereiche Diagnostik, Therapeutik und Arzneimittelkunde und versammelt vielfältige, nicht nur griechisch-byzantinische Quellenaussagen in Form eines groß angelegten, methodisch durchkonstruierten Fachkompendiums.